Schnabels Cavalier

Konferenz in Stolberg/Südharz am 6. und 7. November 2015:
Johann Gottfried Schnabels zweiter Roman
Der im Irr-Garten der Liebe herum taumelnde CAVALIER (1738)
Aufruf zur Einreichung von Themenvorschlägen
für Vorträge

Unter organisatorischer Federführung durch die Johann-Gottfried-Schnabel-Gesellschaft wird im Herbst 2014 Der im Irr-Garten der Liebe herum taumelnde CAVALIER (1738) erstmals in einer textkritisch geprüften Neuausgabe erscheinen. Die Gesellschaft möchte das Ereignis zum Anlass nehmen, diesem nach ihrer Auffassung seit je unterschätzten zweiten Roman des Autors der Insel Felsenburg ihre Jahrestagung 2015 in Stolberg/Südharz zu widmen. Wir laden hiermit ein, Vorschläge für Vortragsthemen anzubieten, die den CAVALIER in seiner dann vorliegenden zuverlässigen Edition der originalen Textgestalt neu in den Blick nehmen. Die Konferenz setzt sich zum Ziel, das von der Forschung bisher kaum ausgeschöpfte form-, gattungs- und diskursgeschichtliche Potential von Schnabels zweitem Roman im Umriss zu vermessen. Willkommen sind also anregende Fragestellungen und originelle Untersuchungsaspekte welcher literaturtheoretischen oder methodologischen Ausrichtung immer – vorausgesetzt, der CAVALIER steht im Fokus. Wie erlauben uns gleichwohl einige Überlegungen zum Thema.

Ein genaueres Augenmerk könnte zunächst die Faktur des Romans erhalten. Der CAVALIER ist, wie im frühen 18. Jahrhundert üblich, mit ‚fremden‘ Textmaterialien nur so gespickt: Eingelegte Erzählungen über vergangene oder parallele Ereignisse auch anderer Figuren (beffa, histoire tragique), Reise- und Stadtbeschreibungen (Venedig), Briefe, Oden und Arien (Übersetzungen) interpungieren massiv die Lebensgeschichte des Gratianus von Elbenstein. Wie wären diese Bestände jeweils gattungsgeschichtlich zu verorten, und welche Funktionen erfüllen sie im Roman? Wie steht die Geschichte von Elbenstein selbst im (europäischen) Gattungsensemble der Zeit? Nicht zuletzt wäre eine Bestimmung der ‚pornographischen‘ Passagen des CAVALIERs im Vergleich mit der zeitgenössischen (deutsch- oder auch fremdsprachigen) ‚Konkurrenz‘ dringend vonnöten. Interessante Aufschlüsse mag auch eine Untersuchung des Titels erbringen, dessen Bildung (Appellativ mit bestimmtem Artikel und vorangestelltem satzwertigen Partizip als Attribut) sich in der zeitgenössischen Literatur häufiger findet und der vielleicht gerade darin eine Signalfunktion hat. Schließlich dürften sowohl eine Analyse der Erzählerfigur wie die Verfolgung anderer narratologischer Aspekte wichtige Einsichten versprechen.

Unter den im Roman verhandelten diskursgeschichtlichen Strängen ist die Negativkonstruktion des italienischen Raums gewiss der auffälligste; zu untersuchen wären sowohl sein spezifisches Profil bei Schnabel wie Schnabels Platz in der frühneuzeitlichen, großenteils protestantisch induzierten, Geschichte der deutschen ‚Antiromanitas‘. In einer eigenen, wohl auch für Schnabels Roman belangvollen, diskursiven Tradition steht der im Titel erscheinende (und die Handlung strukturierende) Begriff des ‚Irrgartens‘ oder Labyrinths der Liebe. Nachzugehen wäre zudem den zahlreichen (präzisen) intertextuellen Verweisen des Romantextes (Namen, Titel, Zitate) im Blick auf eine Konstruktion von diskursiven Textschichten im Roman; auch in diesen Fällen müsste den (neuen) Diskursmaterialien Platz in größerem Umfang eingeräumt werden.

Als weiterer Fragenkomplex sei der nach den ‚Realien‘ und ihrer Funktion im Roman angesprochen. Gleich zu Beginn wird Elbensteins Weg bekanntlich vor die prinzipiell adelstypische Alternative gestellt, das Leben entweder auf die Gelehrsamkeit (arte) oder auf das Militär (Marte) zu gründen. Zu seiner Option des Studiums (im wesentlichen der Rechte) sowie zur Vorbereitung auf die damit angestrebten „Bedienungen bey Hofe„ gehört standesgemäß die Kavalierstour durch Europa. Inwieweit entspricht die im Roman geschilderte Tour (Fehlen einer akademischen Begleitung, Beschränkung auf Italien) den historisch belegten Möglichkeiten eines derartigen Ausbildungsabschnitts? In welchem Umfang gibt es ferner andernorts (auto-)biographisch dokumentiertes Material zur Rolle von Erotik und Sexualität während einer Tour dieses Typs? Welche Art von Laufbahn tritt Elbenstein sodann an deutschen Höfen an? Wie ist der Wechsel einzuschätzen, der ihn schließlich doch noch in den Soldatenstand führt (Teilnahme am Krieg der von Wilhelm III. geführten Großen Allianz gegen Frankreich)? Wie sind die ‚Realien‘ von Elbensteins späteren Jahren als Erbe der väterlichen Güter im historischen Vergleich zu bewerten? Wie stellt sich der Roman aus dieser Perspektive insgesamt als die Geschichte eines Adligen zwischen den Jahren (spätestens) 1686 und (mindestens) 1706 dar?

Ein vierter und letzter Komplex könnte sich der (bekanntlich ominösen) Wirkungsgeschichte von Schnabels zweitem Roman widmen. Ein Desiderat wäre hier vor allem eine kommentierte Bibliographie sämtlicher ‚Editionen‘ seit der (noch zu des Autors Lebzeiten erschienenen) zweiten Auflage von 1746. Nicht ganz abzusehen ist für uns, inwieweit eine Studie über die bisherige Thematisierung des Romans in fachlicher Forschung und Publizistik ertragreich wäre.

Wir bitten, Vorschläge für Vorträge als ein knappes Exposé im Umfang von etwa einer halben Seite bei beiden Unterzeichnern einzureichen; Abgabeschluss ist der 1. Dezember 2014. Wer sich mit einem Beitrag an der Konferenz beteiligen möchte, sollte sich darauf einstellen, Anreise und Übernachtung selbst tragen zu müssen; eine Liste mit Hotel- und Pensionsadressen wird rechtzeitig zur Verfügung gestellt. Gleichwohl wollen wir uns um die Einwerbung von Fremdmitteln kümmern, allerdings wird die Konferenz auch stattfinden, wenn es zu keiner Finanzierung von dritter Seite kommt. – Eine Veröffentlichung der Tagungsbeiträge ist vorgesehen.

Im Juli 2014

Prof. (i. R.) Dr. Günter Dammann
guenter.dammann@ewetel.net

Gerd Schubert, M. A.
schubert@schnabel-gesellschaft.de

Der im Irr-Garten der Liebe herum taumelnde Cavalier

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Der im
Irr=Garten der Liebe
herum taumelnde
CAVALIER.
Oder
Reise=
Und
Liebes=Geschichte
Eines vornehmen Deutschen von Adel,
Herrn von St.***
Welcher nach vielen, sowohl auf Reisen, als auch
bey andern Gelegenheiten verübten Liebes=Excessen,
endlich erfahren müssen, wie der Himmel die Sünden der
Jugend im Alter zu bestraffen pflegt.
Ehedem zusammengetragen
durch den Herrn
E. v. H.
Nunmehro aber allen Wollüstigen zum Beyspiel und
wohlmeinender Warnung in behörige Ordnung gebracht,
und zum Drucke befördert
Von einem Ungenandten.
Warnungsstadt,
Verlegts Siegmund Friedrich Leberecht,
Anno 1738.

(Mit 4 Bl. Vorrede und 622 S.
erschienen bei Johann Heinrich Groß in Nordhausen.)