Johann-Gottfried-Schnabel-
Ausstellung
in Stolberg/Harz
im Stolberger Schloss


Insel Felsenburg


»Wenn ich heute die Insel Felsenburg lese, dann auch deshalb, weil diese Lektüre einem Spaziergang durch einen Schlossgarten nicht unähnlich ist«, schreibt 1995 Norbert Ahlers in seinem Beitrag für den ersten Band der Schnabeliana, in dem er zu klären versucht, was den Reiz des über 270 Jahre alten Romans ausmacht, und er weist auf ein Motiv hin, das ihn »immer wieder fasziniert: Da kommt eine Menschengruppe aus Europa im Südatlantik zusammen, trifft sich gegen Abend regelmäßig in den Räumen eines Schlosses – der Albertsburg – und erzählt sich Erlebtes und Erlittenes. Sie erzählen sich gegenseitig stundenlang ihre Lebensgeschichten. Was für ein traumhafter Überfluß an Zeit und welche Freiheit von Angst.« Es scheint paradox: eine bürgerliche Gesellschaftsutopie mit einem Schloss als Zentrum, dessen Räume einen Schutzraum darstellen, aber es scheint genau das zu sein, was auch der Autor für sich erträumt haben mag.

Johann Gottfried Schnabel, 1692 in Sandersdorf bei Bitterfeld geboren und um 1750 gestorben – sein Sterbedatum und sein Sterbeort sind bis heute unbekannt –, der in Stolberg/Harz diesen bedeutenden und bis heute immer wieder mit Interesse gelesenen Roman Die Insel Felsenburg geschrieben hat, ist jetzt wieder ins Stolberger Schloss zurückgekehrt!

Stolberger Schloss

1724 wurde er als Hofbalbier Bürger der Stadt Stolberg. Wahrscheinlich war er als Hofbediensteter mit seiner Familie zunächst im Schloss untergekommen, bevor er in verschiedenen Häusern der Stadt zur Miete wohnte; für kurze Zeit auch in der damaligen Hofbuchdruckerei am Schlossberg, wo seit 1992 eine Gedenktafel an ihn erinnert. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg wurden in für die Öffentlichkeit zugänglichen musealen Räumen des Stolberger Schlosses Dokumente zu seinem Leben und Schaffen ausgestellt. Seit der Teilwiedereröffnung des Stolberger Schlosses am 19. März 2008, das seit 2002 in der Obhut der Deutschen Stiftung Denkmalschutz saniert und restauriert wird, präsentiert nun die Johann-Gottfried-Schnabel-Gesellschaft hier im Kleinen Kirchzimmer wieder eine Ausstellung zu Leben und Werk des Stolberger Schriftstellers.

Ausstellung 1
Blick in die Ausstellung




Im Treppenhaus
Im Treppenhaus

Drei Tischvitrinen zeigen Kopien von Dokumenten zu Schnabels Leben und eine präsentiert Schnabels Hauptwerk »Die Insel Felsenburg« mit diversen Ausgaben, Illustrationen zu einer Jugendbuchbearbeitung von 1834 und einem Textauszug aus dem ersten Band des Romans von 1731, der die Ankunft des erzählenden Eberhard Julius auf der Insel Felsenburg beschreibt und mit folgendem Satz beginnt: »Nunmehro waren wir einigermaßen überzeugt, daß uns der Capitain Wolffgang keine Unwahrheiten vorgeschwatzt hatte, denn man sahe allhier, in einem kleinen Bezierck, das schönste Lust-Revier der Welt, so, daß unsere Augen eine gute Zeit recht starr offen stehen, der Mund aber, vor Verwunderung des Gemüths, geschlossen bleiben muste.« So ähnlich mag es wohl auch manchem Besucher des Stolberger Schlosses ergangen sein angesichts der bei den Restaurierungsarbeiten erstmals wieder freigelegten barocken Bildwerke im Treppenhaus und an der Decke im Breiten Gang.

Ausstellung 2
Ausgaben der »Insel Felsenburg«

Doch zurück zur Schnabel-Ausstellung: Eine weitere Vitrine ist der Rezeption seines Werkes gewidmet, insbesondere der durch den Schriftsteller Arno Schmidt, der Schnabels »Insel Felsenburg« als ersten bedeutenden modernen Roman der deutschen Literaturgeschichte gewürdigt hat, der auch für ihn selbst, für sein Selbstverständnis als Schriftsteller grundlegend gewesen ist, oder, wie Schmidt dies 1942 formuliert hat: »Am Anfang schuf Gottfried Schnabel Himmel und Erde.« Die letzte Vitrine der Ausstellung dokumentiert die Aktivitäten der 1992, anlässlich Schnabels 300. Geburtstages, in Stolberg gegründeten Johann-Gottfried-Schnabel-Gesellschaft unter dem Motto: »Schnabel vereint die Welt in Stolberg«. Mit dieser Überschrift zu ihrem Artikel über die 14. Jahrestagung der Johann-Gottfried-Schnabel-Gesellschaft für die »Mitteldeutsche Zeitung – Sangerhäuser Zeitung« vom 7.11.2006 hat die Journalistin Steffi Rohland ihre Eindrücke von dieser Veranstaltung auf den Punkt gebracht. Mitglieder und Gäste aus dem In- und Ausland hatten daran teilgenommen. Ergänzend dazu zeigt eine Stellwand eine Auswahl der von Ina Mencke, Wittenberge, entworfenen und hergestellten schönen Plakate zum vielfältigen literarisch-musikalischen Programm, das die Gesellschaft in den vergangenen Jahren unter der Regie von Hanns H. F. Schmidt, Magdeburg, in Stolberg geboten hat. Blickfang des Raumes ist ein antiker Schreibtisch, den Hartmut Fischer, Mitglied der Johann-Gottfried-Schnabel-Gesellschaft aus Northeim, gestiftet hat, um deutlich zu machen, dass dieser Raum einem Schriftsteller gewidmet ist.

Zur Eröffnung der Ausstellung und zur Wiedereröffnung des Stolberger Schlosses präsentierte die Johann-Gottfried-Schnabel-Gesellschaft im Empiresaal ein literarisches Programm unter dem Titel »Ein Sommermeteor über der Insel Felsenburg«. Es war die letzte Veranstaltung an diesem ereignisreichen Tag im Stolberger Schloss, und rund fünfzig Besucher haben daran teilgenommen, darunter elf Mitglieder der Johann-Gottfried-Schnabel-Gesellschaft und einige weitere Literaturinteressierte, die eigens dazu angereist waren!

Michael Meinert
Michael Meinert

Michael Meinert aus Hannover las Arno Schmidts Geschichte »Sommermeteor«, in der der Autor sich einer Geschichte aus Schnabels »Insel Felsenburg« bedient hat, und seinen literarischen Brief an den von ihm hochverehrten Stolberger Kollegen. Hartmut Fischer, Northeim, informierte enthusiastisch über den Schnabel-Verehrer Arno Schmidt, und Gerd Schubert, Vorsitzender der Johann-Gottfried-Schnabel-Gesellschaft aus Berlin, berichtete über den derzeitigen Stand der biografischen Kenntnisse über Schnabel.

Ausstellung 2

Den Zuhörern hat die Veranstaltung und auch die Schnabel-Ausstellung gefallen, wie aus Gesprächen danach zu erfahren war. So werden sich nun, nachdem bereits im Museum »Alte Münze« einiges zu Johann Gottfried Schnabel zu finden ist, diejenigen, die wegen Schnabel nach Stolberg gereist sind, ausführlicher über ihn im Schloss informieren, und alle anderen Stolberger Gäste können hier eine besondere literarische Entdeckung machen.

Die Ausstellung kann während der Öffnungszeiten des Stolberger Schlosses, mittwochs bis sonntags von 11.00 bis 16.00 Uhr, besichtigt werden.